Auf 'n Butterbrot in'n Landtag: Biobrot fürs Krankenhaus
Eine kleine Nachlese zu einem Arbeitstermin aus dem November, um zu lernen, wie es ein nordfriesischer Bäcker geschafft hat, Krankenhäuser davon zu überzeugen, Bioland-Brot zu kaufen.
Bitte beachten: das Voiceover hier oberhalb hat den Artikel als Audio und noch einige Hintergründe und Zusammenhänge. Hören lohnt sich also!
“Ich mag es, wenn sich Kreise schließen” ist wahrscheinlich eine der häufigsten Einleitungen, wenn ich auf Insta oder LinkedIn einen Beitrag über meine Arbeit in den Bio-Wertschöpfungsketten im Norden beginne. Da kann ich auch nichts für: alle haben ihre Kinks, Kreise, die sich schließen, sind meine.
Im November gab es eine Einladung des Grünen Landtagsabgeordneten Dirk Kock-Rohwer - ein ehemaliger Demeter-Landwirt, bei dem vor über 10 Jahren Freunde von mir ihre Ausbildung gemacht haben. Und seitdem zwar nicht zwingend ein enger und regelmäßiger, aber ein freudiger und wohlwollender Kontakt.
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Dirk ist agrapolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion und arbeitet gemeinsam mit seinem Team als Teil der Schwarz-Grünen Regierungskoalition im “echten Norden” daran, das Bio-Thema voranzubringen: das Landwirtschaftsministerium unter Landwirtschaftsminister Werner Schwarz hat sich als Ziel gesetzt, den Bio-Anteil im Land von 7% auf 14% zu verdoppeln und setzt dabei auf eine Stärkung der bio-regionalen Wertschöpfungsketten und der abnehmenden Hand. “Eine Kette muss gezogen werden”, ist ein Satz, der mir, als einem derjenigen, die hier im Norden in den Bio-Regionalen Wertschöpfungsketten mit dem Schmiedehammer unterwegs sind, immer in den Ohren klingt.
Warum dann aber auf ‘n Butterbrot in den Landtag?
Genau das Thema war auch der Grund für den Termin im Fraktionstrakt der Grünen im Landeshaus in Kiel: wie kann das Thema Bio-Brot in der Gemeinschaftsverpflegung eine größere Rolle spielen? Die GV, auch “AHV” (Außer-Haus-Verpflegung). Obwohl - je nach Quelle - 20-40% der Lebensmittel (hier eine Definition und die Aussage, es seien 25% der Aussagen) außerhalb der eigenen vier Wände konsumiert werden, ist der Bio-Anteil deutlich geringer als in den anderen Teilmärkten. Einer von mehreren Gründen, warum die aktuelle Regierung in Schleswig-Holstein diesen Bereich als starken Hebel besonders ins Auge gefasst hat.
Neben Beratungs- und Zertifizierungsförderungen für die Einführung und Ausweitung von Bio in der AHV wird viel an Vernetzung und Inspiration gearbeitet und versucht, Schmerzpunkte und Hindernisse zu identifizieren und auszuräumen: häufig fehlt es nämlich gar nicht unbedingt am Willen oder an der Möglichkeit, sondern an der richtigen Idee für den ersten Schritt.

Eingeladen als Referent war Daniel Lorenzen von der Joldelunder Bioland-Bäckerei Lorenzen. Die Lorenzens beliefern seit knapp einem Jahr mehrere Krankenhäuser mit ihrem Bioland-Brot - weil es ihnen ein Anliegen ist; ohne gleichzeitig aber für die Sache in Schönheit zu sterben.
Die Teilnehmenden der Runde kamen aus allen relevanten Bereichen: der Landwirtschaft, Rohwaren-Bündelung und -Handel, Bäcker-Zulieferung, mehrere Bäckereien, Bio-Verband, Politiker:innen auf Kreis- und Landesebene und dem Referat für Landwirtschaft in SH, das auch für die Stärkung der Wertschöpfungsketten zuständig ist.
Wie geht es nun; Bio-Brot für die Krankenhäuser?
Das war tatsächlich die große Frage. Die schnelle Antwort: alle wollen es und deswegen klappt es. Genauer? Die Anfrage an die Lorenzens war nicht zu Bio-Brot, sondern generell zu Brot. Historisch bedingt haben sie noch eine kleine konventionelle Schiene, mit der sie vor allem andere Bäckereien mit handwerklichen Produkten beliefern, die diese selbst nicht herstellen können oder wollen. Bio ist aber das große Thema der ganzen Familie, weswegen es ihr erklärtes Ziel war, die Krankenhäuser mit Bio-Brot zu beliefern. Voraussetzung dafür ist aber wiederum, dass es für die Krankenhäuser passt, weil das Brot ja vor allem ins Budget passen muss.
Gefunden wurde - und da war Daniel bis ins kleinste Detail transparent - eine schlanke Lösung: angeboten werden vier Kastenbrote, die in Joldelund sowieso jede Nacht gebacken werden. Dadurch fallen Rüstzeiten und Handgriffe weg, die Personalkosten verursachen: der größte Kostenfaktor in der Kalkulation. Die Brote werden in Brotformen mit einem Meter Länge gebacken, wodurch die Randstücke minimiert werden - ebenfalls ein Kostenfaktor.

Bestellt werden muss am Vortag bis 12 Uhr und es werden keine Retouren zurückgenommen. Die Bestellung bis Mittags bedeutet für die Krankenhäuser Kommunikation und Mehraufwand, weil die Infos um Restmengen nach dem Frühstück bis dahin gesammelt und in eine Bestellung formuliert werden muss. Die Restmengen wiederum sind aufgrund der handwerklichen Qualität und entsprechenden Haltbarkeit der Brote kein Problem und bedeuten für die Abteilungen, dass sie immer mit einem gewissen Puffer arbeiten können, wodurch es nicht auf die letzte bestellte oder übrig gebliebene Scheibe ankommt.
Die größte Stärke: keine Schwäche.
Seit der Umstellung auf das Joldelunder-Brot vor fast einem Jahr gab es eine Beschwerde: das Brot war zu kalt. Verkraftbar, wenn das Brot gekühlt gelagert wird. Im Vergleich zur Vergangenheit eine große Erleichterung für die Kliniken und ebenfalls etwas, das Kosten reduziert.
Für mich war der Termin vor allem eine Bestätigung von ein paar Beobachtungen, die ich länger schon immer wieder mache, wenn ich funktionierende Beispiele betrachte.
Kommunikation: Auch wenn Bio-Produkte bei den Absolutpreisen fast immer teurer sind, kann eine gute Abstimmung so signifikant Kosten sparen, dass das den Mehrpreis mehr als wettmacht.
Wille: Praktisch immer findet man in einem Leuchtturmprojekt “die eine Person”, die mit Beharrlichkeit und Kreativität die Lösungswege erarbeitet und die dafür nötigen Weichen und Menschen gefunden und bearbeitet hat.
Offenheit: Eigentlich noch viel wichtiger als der Wille der Lösungsfinder:innen ist die Offenheit bei den ausgangs-konventionellen Partner:innen. Wird Bio von Anfang an ausgeschlossen, weil nicht über den initialen Mehrpreis und den Mehraufwand für das Erarbeiten der Lösungswege hinweggesehen werden kann, kann es keine Entwicklung geben. Auf der anderen Seite habe ich einige der glücklichsten und überzeugtesten Bio-Supporter unter solchen spätberufenen aber zum richtigen Zeitpunkt offenen und richtig angesprochenen Menschen gefunden.
Nähe: Emotionale Nähe. Nicht immer geht alles von Anfang an glatt, besonders wenn auch auf der liefernden Seite noch Entwicklungsarbeit nötig ist. Dafür ist es extrem wertvoll, wenn sich menschlich verstanden wird. Nur so können Fehler so früh bearbeitet werden, dass sie gar nicht erst zu einem Problem werden, sondern zur praxistauglichen Lösung beitragen können.
Transparenz: Das ist etwas, das das “generische”, das “alte” Bio für mich sehr ausmacht und in Daniel zu 100% lebt (in Dirk übrigens auch, das ist aber vielleicht mal eine andere Geschichte, warum er bei mir immer einen Stein im Brett haben wird): Daniel hat sich komplett nackig gemacht, sowohl gegenüber den Geschäftspartnern bei der Anbahnung der Kooperation, als auch bei der Veranstaltung, bei der auch einige potenzielle Mitbewerber aus dem Bio- und konventionellen Premiumbereich dabei waren: Weil ihm die Sache so wichtig ist.
Mut: Am Ende steht am Anfang immer der Mut. Für die Lieferant:innen, überhaupt auf untypische Neukund:innen zuzugehen und unbekannte Wege zu erkunden. Für die abnehmende Seite, sich dem Thema überhaupt zu öffnen. “Guter Einkauf “wird zu häufig auf Basis der konkreten Zahl im Angebot bewertet, obwohl dynamische Konzepte häufig ähnlich günstig sein können.
Gleichzeitig: Auch wenn es sich so schön runterschreiben lässt, es ist überhaupt nicht einfach. Kooperationsfähigkeit auf dem Level muss gelernt und geliebt sein, ist etwas, das von Lebenserfahrung und Handschlag lebt und von der Verschulung und Akademisierung bedroht wird. Synergien zwischen zwei Unternehmen tauchen auf keiner Seite in den Auswertung konkret auf, sondern es muss dran geglaubt und drauf vertraut werden.
Gerade deswegen sind Offenheit, Austausch und solche Termine wie der Nachmittag in Kiel, mit Brot-Verkostung und vielen tollen Impulsen und Gedanken so wichtig und wertvoll.
Am 21. Februar findet vormittags in der Bäckerei in Joldelund ein Folgetreffen statt, zu dem alle Interessierten eingeladen sind. Schreibt mir gerne für die Details, ich leite sie Euch dann weiter.
Kleines Schmakerl zum Schluss?
Ein Video vom ersten Date von Daniel und mir. Ich damals noch frisch bei Bioland: in zwei Wochen steht das Remake an - als Langformat in der neuen gläsernen Backstube in Flensburg.
Nach dem Termin war ich sehr begeistert von den vielen Geschichten, die über die Familie zu erzählen sind und habe davon einer NDR-Journalistin erzählt.
Das Ergebnis:
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