Die Schleswig-Holsteinischen Produzentenarenen: Zeigen, was geht!
Was passieren kann, wenn Praktiker:innen einander zuhören – und was Netzwerke daraus lernen können.
Wohlfühlen miteinander, so soll es sein.
Letztes Jahr habe ich Petra von Ciderwerk beim "Speeddating" auf der Produzentenarena noch ein bisschen zu einem Pitch nötigen müssen. Am Montag hat sie sich freudig freiwillig gemeldet.
Sie wusste, dass sie in der Runde von regionalen Produzent:innen und Gastronom:innen in guten Händen ist und ich mit meiner Moderation darauf abziele, dass sie sich und ihren Cider gut darstellen kann: auch wenn sie als Lebensmittelhandwerkerin vielleicht nicht den perfekten Elevator-Pitch aus dem Ärmel schüttelt, als wäre sie bei der Höhle der Löwen.
Ich durfte nun schon zum zweiten Mal bei einer Produzentenarena durchs Programm führen. Mein Job: Mikrofon von A nach B tragen, eine Stimmung verbreiten, in der jede:r gerne ihre:seine Arbeit und Produkte vorstellt und bestenfalls Nachfragen stellen, die potenziellen Partnern schon erste Antworten liefert und ein Gespräch im anschließenden Probier- und Netzwerk-Part noch wahrscheinlicher macht.
Dieses Jahr ist der Bioland e.V. Landesverband Schleswig-Holstein/Hamburg erstmals Partner bei den Produzentenarenen, die der FEINHEIMISCH – Genuss aus Schleswig-Holstein e.V. seit vergangenem Jahr organisiert. Gemeinsam mit der Regionalwert AG Hamburg und Malte Bombien sind wir der Anfang von zukünftig hoffentlich noch vielen weiteren Netzwerken, die an einem Strang ziehen, um für ihre Mitglieder das Beste Angebot zu schaffen.
Als hauptberuflicher Zuhörer, Kümmerer und Vernetzer ist mir die Rolle als Moderator der Produzentenpitches auf den Leib geschneidert. Dass ich viele der Produzierenden, ihre Gewerke und ihren Alltag kenne und schätze, erleichtert die Sache nochmals.
Ich kann nur immer wieder den Hut (bzw. die Cap) vor Oliver Firla ziehen, mit wie viel Kraft und Geduld er die Veranstaltungsreihe weiter und weiter anschiebt. 75 Teilnehmende am Montag sprechen klar dafür, dass das Konzept in den Norden gekommen ist, um zu bleiben.
Was sind die Produzentenarenen?
Ich bin kein großer Fan geförderter Projekte. Zu viele Konzepte habe ich schon heiß glühen und anschließend in sich zusammenfallen sehen.
Letztes Jahr hat der “Feinheimisch - Genuss aus Schleswig-Holstein e.V.” unter klarer Federführung seines Vorsitzenden Oliver Firla aus einem kleinen Fördertopf, der im Landwirtschaftsministerium in Kiel irgendwo in einer Ecke aufgetaucht ist, allerdings das Maximum herausgeholt und mit der “Feinheimisch Produzentenarenen” etwas ins Leben gerufen, das - wie gesagt - hoffentlich gekommen ist um zu bleiben.
Oliver und ich haben häufig zusammengesessen und gesponnen. Vor meinem Wechsel bei Bioland habe ich für seine Restaurants Kommunikation gemacht und wir haben immer viel Zeit damit Verbracht, Dinge zu wälzen: wie können wir Genuss, Handwerk und Qualität nach vorne bringen?
Irgendwann im November erzählte mir Oliver das erste Mal von der Idee der Produzentenarenen. Erster Satz war “verbandsübergreifend”: lass uns was gemeinsam machen. In einer Verbände- und Netzwerklandschaft, in der sich alle seit vielen Jahren kennen und jede:r jede:rm schon mal einen Gig weggeschnappt hat, eine zwar offensichtliche aber doch radikale Idee.
Ich bin erst knapp vier Jahre im Genuss-Norden aktiv. Ich kenne die Entscheider:innen der Verbände und Netzwerke aber doch ganz gut, habe aber ein deutlich unbelasteteres Verhältnis zu ihnen als die meisten untereinander. Deshalb sehe ich das Abgrenzen zueinander eher als Hindernis bei der allgemeinen Entwicklung, als eine positive Sache: viele Betriebe sind sowieso Mitglied bei mindestens zwei der fünf relevanten Netzwerke (Nordbauern, Gütezeichen SH, Feinheimisch SH, Bioland, Regionalwert AG HH, dazu mit Abstrichen was die Aktivität für Lebensmittel in der Region betrifft, Naturland, Demeter und der Ökoring). Viele sind bei drei, einige sogar bei vier oder fünf dabei.

Was wurde im Vergleich zu vergleichbaren Versuchen in der Vergangenheit anders gemacht?
Groß denken!
Von Anfang an war das Ziel, auch über die Netzwerke hinaus Betriebe zu vernetzen: die Szene lebt von Innovation und neuen Partnerschaften und auch ein großes Netzwerk wie Feinheimisch, das laufend neue Partner gewinnt, ist irgendwann auf eine Art “durchgespielt”. Trotzdem ist es schwer, sich über die Netzwerkgrenzen hinwegzusetzen: wie soll man eine Öffnung nach außen den zahlenden Mitgliedern erklären, die sich von ihrem Beitrag unter anderem auch einen Vorteil bei der Vernetzung erhoffen?Einfach machen!
Von großen Ideen habe ich schon häufig mitbekommen. Die meisten scheitern aber an etwas ziemlich Essenziellen: dem Loslegen. Es gibt so viele Konzepte, die gefühlt von Anfang an Sollbruchstellen eingebaut haben, wegen derer sie nicht zustande kommen können und den Ideengeber:innen von Anfang an die Ausrede liefern, warum es nicht geklappt hat. Was? Es waren nicht von Anfang an alle Feuer und Flamme, haben Geld in den Topf geworfen und sich personell beteiligt? Daran sind die Produzentenarenen 2024 nicht gescheitert. Am Ende hat Feinheimisch eingeladen und auch voll von der Öffentlichkeit profitiert..Auch ein neues Rad muss nicht erfunden werden.
Oliver war von dem Konzept der Produzentenarena sehr begeistert, wie sie Dominik Flammer in der Schweiz etabliert und schon über 40 mal durchgeführt hat. Das Konzept eines Speeddatings zwischen Erzeugung, Produktion und Gastro gibt es schon vielfach, die Produzentenarenen sind aber ein bewährtes System, das Oliver als Art Franchise übernommen hat: Abläufe, Moderationen, Vorstellung und Austausch passen so, wie Dominik es uns aus der Schweiz mitgebracht hat. (Hier geht es zu einem Text des “Countryside”-Newsletters von Jürg Vollmer über die Produzentenarenen in der Schweiz!)Weg mit den Befindlichkeiten!
Die fetten Jahre sind vorbei. Davon bin ich überzeugt. Gelder werden nicht mehr in der Menge zur Verfügung stehen wie in der Vergangenheit und besonders die Arbeit der Netzwerke, die sich der Wertschöpfungsketten annehmen, ist in Schleswig-Holstein deutlich in den Fokus einer kritischen Überprüfung gerutscht: was läuft, was schleppt? Welche Gelder sind effizient genutzt und wo arbeiten möglicherweise mehrere Netzwerke an den gleichen Themen?
Diese kritische Überprüfung sorgt gefühlt für weitere Nervösität, ein stärkeres Einigeln und abgrenzen; die Schäfchen müssen ins Trockene. Obwohl Synergien eigentlich durchaus möglich wäre, besonders wenn sich die Entscheider:innen darüber einig werden, bspw. das “Regional vs. Bio”-Narrativ beiseite zu schieben und für die großen Schnittmengen an einem Strang zu ziehen: so geschehen.Das Konzept laufend anpassen!
Aus dem übernommenen Konzept der Produzentenarenen, von denen für 2024 eigentlich vier geplant waren, wurde ab dem Spätsommer die “Kocharena” und schließlich im November als großes Finale die “Genussarena”.
Nach der zweiten Produzentenarena hat sich gezeigt, dass bereits jetzt schon einige “neue” Gesichter dabei waren, neue Partnerschaften entstanden sind und Lust bestand, gemeinsam etwas zu entwickeln: die Geburtsstunde der “Kocharena”, immer noch sozusagen “B2B”, also zwischen Erzeuger:innen, Verarbeiter:innen und Köch:innen. Die Genussarena im November war dann für alle geöffnet und die Gruppe derjenigen, die im Sommer auf die Idee des Neuaufschlags zur Vernetzung vertraut haben, haben sich für ihr gutes Bauchgefühl feiern lassen können.Trotz einer Siegerhand nicht abschotten.
”Wer das Kreuz trägt, segnet sich selbst zuerst”, hat mir mal ein älterer Bauer gesagt. Dass die “Feinheimisch Produzentenarena” auf das Imagekonto von Feinhemisch einzahlt ist nicht zu übersehen. Allerdings: intern waren von Anfang an alle involviert, die mitmachen wollten und es wurden keine Unterschiede gemacht. Mit Hof Mevs und Brotjanker aus Kiel waren zwei Bioland-Mitglieder ohne Feinheimisch-Zugehörigkeit die beiden meist hofierten Teilnehmenden auf Produzentenseite. Zur “Koch-Arena” spontan dazu kam mit Bernd Ratjen ebenfalls ein Bioland- und Regionalwert-Partner, den bis dato wenig mit Feinheimisch verbunden hatte.
Wenn sich Produzent:innen, Verarbeiter:innen und Köch:innen gegenseitig weitertragen, statt sich gegeneinander zu profilieren – dann ist das keine Networking-Märchenstunde, sondern echtes, gelebtes Regionalentwicklungshandwerk.
Und wenn Petra sich ohne Zwang und mit Freude zu Wort meldet – dann zeigt das: Wohlfühlen miteinander ist kein Nice-to-have. Es ist die Grundlage.
Anbei ein paar Eindrücke vom Austausch am 12. im Bewegtbild
Für die nicht-SHler: Wer ist dieser Feinheimisch?
Der “Feinheimisch - Genuss aus Schleswig-Holstein e.V.” ist ein Verein, der seit bald 20 Jahren besteht. Es ist eine regionale Genussbewegung, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten überall gefunden und auch wieder totgelaufen haben. Feinheimisch gibt es aber dank einiger glücklicher Umstände und engagierter Menschen noch immer und der Verein hat sich in Schleswig-Holstein sehr gut etabliert. Inzwischen zählt der Verein über 600 Mitglieder, von landwirtschaftlichen Erzeugern über Manufakturen, Köch:innen, Gastronomen, private Mitglieder und gewerbliche Förderer.
Wie in jedem Verein ist alles von den Menschen abhängig: intern wie extern. Intern natürlich von den engagierten Ehren- und Hauptamtlichen, extern spielt meiner Meinung nach der DIE SEITE-Verlag eine große Rolle, der mit seiner Berichterstattung im verlagseigenen Mohltied-Magazin und durch die Umsetzung des Feinheimisch-Magazins des Vereins für eine sehr hochklassige Berichterstattung und viel Stil sorgt, der mit Feinheimisch konnotiert wird.
Ein Stil, der wiederum dafür sorgt, dass Feinheimisch auch bei den “feinen Leuten” in und um Kiel sehr beliebt ist und damit natürlich auch “beim Land”, das in Kiel sitzt. Bestimmt auch deswegen der Fördertopf.
Die Fotos und Videos von der Veranstaltung kommen übrigens von Ninetyone aus Hamburg.
EDIT: In einer früheren Version las sich der Übergang zum Hauptteil wie folgt:
Auf Hinweis einer Kollegin habe ich den Part gekürzt, weil er sehr unpräzise und unbeabsichigt verletztend war. Tatsächlich habe ich einige konkrete Beispiele im Kopf, gleichzeitig lesen den Text deutlich mehr Menschen, die im Rahmen geförderter Projekte eine tolle Arbeit leisten, als anders herum.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Einfach klasse und sinnvolle Veranstaltungen, die wichtig sind für die Vernetzung, das Verstehen und auch und nicht zuletzt für den Umsatz. Mein Wunsch wäre natürlich, das wir vielleicht mit dem Naturgenussfestival der Stiftung Naturschutz auch dazukommen. Zumal wir den gleichen Ansatz haben plus Natur-und Klimaschutz in unserem Schleswig-Holstein. Denn ohne gesunde Böden, Luft und Klima auch keine vernünftige bz zukunftsgerichtete Produktion.