6 Monate politisch engagiert: Vom Neumitglied zum Dampfmacher
Wie mir mein Naturell als Verbinder und Brückenbauer die Möglichkeit gebracht hat, als offizieller Teil einer "Landesarbeitsgemeinschaft" mitzugestalten.
Neues auf dem Blog – ein kleiner Schritt über den Tellerrand
Bisher habt ihr hier vor allem Einblicke aus meiner Arbeit im Netzwerk nachhaltiger Lebensmittelproduktion gelesen. Künftig möchte ich diesen Blick um eine weitere Ebene ergänzen: mein politisches Engagement bei den Grünen in Schleswig-Holstein. Es geht mir dabei nicht um Parteimeinung und -Werbung, sondern um Perspektiven und Gestaltungsspielräume – aus der Praxis heraus, wie ihr es von mir kennt und auch hier, um Sichtbarkeit zu schaffen.
"Ihr seid ja mutig", war die Rückmeldung, nachdem ich auf einer kleinen Abendveranstaltung der Grünen in Rendsburg von unserem nächsten Exkursionsziel mit der LAG Landwirtschaft erzählte: Raus aus der grünen, Bio-Bubble und direkt in die "Höhle der Löwen" - auf den Betrieb von Tilo von Donner.
Tilo ist eines der profiliertesten Sprachrohre der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaft, Co-Host des Podcasts "Plan B. - Ideen für die moderne Landwirtschaft", Mitorganisator vieler Aktionen der Bauernproteste 2019 und 2024 und zeitweise sehr engagiert bei der Protestbewegung "Land schafft Verbindung" (LsV).
Aber auf der anderen Seite auch Redner auf der "Wir haben es Satt"-Demo im Januar 2020, worüber ich damals schon in meinem Hofhuhn-Blog geschrieben und auch ein Podcast-Interview dazu mit Tilo gemacht habe. Im Bundestagswahlkampf war er Gastgeber des "landwirtschaftlichen Küchentischgesprächs" mit Robert Habeck. Vor allem ist Tilo aber auch ein langjähriger und wohlwollender Freund und Wegbegleiter, mit dem ich vor 10 Jahren auf dem Rugbyplatz gestanden und durch dick und dünn gegangen bin.
Jemand, dem es immer mehr an den Brücken als den Gräben gelegen ist - und vor allem auch damit ein Verwandter im Geiste.
Vom Neumitglied zum Exkursionsleiter
Ich war viele Jahre unsicher, welcher Partei ich mich am nächsten fühle. Die letzten drei Jahre hat sich für mich aber immer konkreter gezeigt, dass es mir viele der Menschen angetan haben, die sich in Schleswig-Holstein bei den Grünen engagieren. Bei der letzten Landtagswahl 2022 sind gleich zwei Menschen über die Liste in den Landtag gekommen, mit denen ich während meiner kurzen und erfolglosen Studienzeit in Kiel zu tun hatte: Anna Langsch und Dirk Kock-Rohwer, über den ich hier schon einmal geschrieben habe.
In meinem beruflichen Alltag hatte ich nie so richtig das Gefühl, dass sich eine andere Partei als die Grünen wirklich um die regionalen und ökologischen Wertschöpfungsketten bemühen würden, wodurch der Kontakt nochmal enger wurde.
Das große Fragezeichen für mich war, ob ich mit meinem pragmatischen und undogmatischen Ansatz Anklang finden würde. Ein Ansatz, der immer mehr aus Zuhören und Machen als aus Absichtserklärungen und dem Aufweisen von Trennschärfen bestand. Ich hatte Sorge, dass ich als Praktiker und Brückenbauer nicht militant genug sein könnte. Dirk ist zwar auch ein verbindender Mensch, aber selbst auch tschernobylbewegt und dadurch protestbewegungserfahren: anders als ich, der ich in der Ökolandwirtschaft aufgewachsen bin und schon immer auf der Suche nach Verbindendem bin.
Genau das wurde mir aber vom ersten Austausch an gespiegelt: meine Biografie als Landwirt, der Aspekt, dass ich selbst nie Probleme hatte, mit nicht-ökologisch wirtschaftenden Landwirten konstruktiv und auf Augenhöhe im Gespräch zu sein und mein versöhnlicher und optimistischer Blick auf viele Themen, wurde sehr wertgeschätzt. In den ersten Wochen wurde mir häufig die Frage gestellt, wie wir es als Grüne schaffen können, “von der Landwirtschaft ernst genommen zu werden”. Besonders häufig kam die Frage von Menschen, die in den ländlichen Räumen leben, also Tür an Tür mit der Landwirtschaft. Für mich ein Zeichen, dass ich mit meiner Art gute Impulse bringen kann.
Ins Tun kommen
Seit ich kurz vor Ampelbruch beigetreten bin, konzentriere ich mich auf den landwirtschaftlichen Bereich. Das ist, wo ich herkomme, wofür mein Herz schlägt und womit ich mich mein ganzes Leben beschäftigt habe. Beruflich und privat: #farm2forkultra, sozusagen.
Auf eine Art ist das Bewegen zwischen den Inseln und das Brückenbauen wahrscheinlich das große Thema meines Lebens: es findet mich immer wieder. Deswegen auch die Motivation, mich im Februar bei der Neuaufstellung des Sprecher:innenteams als Co-Sprecher in Doppelspitze mit Uta Bargfeld zu bewerben. Gemeinsam mit unseren Stellvertreter:innen Marilla Meyer und Lasse Bombien sind wir ein super Team: ich mit Erfahrung, Netzwerk und Stallgeruch in der Praxis und parteipolitischer Neuling, die anderen drei sind der Landwirtschaft zwar deutlich länger Verbunden als ich den Feinheiten der Parteiarbeit, sind aber vor allem auch genau dort echte Cracks.
Es ist im landwirtschaftpolitischen Konflikt nicht alles schwarzweiß: Eher umgekehrt. Deswegen haben wir das aktuelle Jahr unter das Motto "Neue Perspektiven" gestellt und besuchen gezielt Betriebe, die nicht dem typisch kleinbäuerlich-grünen Klischee entsprechen, sondern Dinge anders machen. Das können Ökobetriebe sein, wie im April Hof Sandbek in Kappeln, aber müssen es überhaupt nicht. Denn: wie wir Flexitarier beim Thema Fleischverzehr der größte Hebel sind, sind es bei der "Ökologisierung der Landwirtschaft" die fast 90% der Betriebe, die nicht nach Bio-Richtlinien arbeiten.
Die “neuen Perspektiven” sollen unter anderem auch Inspiration für mögliche zukünftige landwirtschaftliche Themen der Grünen in Schleswig-Holstein sein. Eine aktive LAG Landwirtschaft ist Think Tank, Ideengeberin und Zuarbeiterin für die landwirtschaftspolitischen Sprecher:innen im Landtag: aktuell Dirk Kock-Rohwer, selbst ebenfalls ehemaliger Demeter-Landwirt. Seit 15 Jahren sind die Grünen inzwischen Teil von Regierungskoalitionen in SH, es geht also nicht darum, radikale Forderungen zu stellen, sondern Lösungen für die Dinge herauszuarbeiten und anzubieten, die der Landwirtschaft und den vor- und nachgelagerten Bereichen wirklich unter den Nägeln brennen. Ein Arbeitsauftrag, der für mich deutlich attraktiver klingt, als für Stunk zu sorgen. Wie gesagt: Brückenbauen liegt in meiner Natur.
Was kommt zurück?
Das Feedback bisher ist sehr gut, auch wenn ich am Anfang sehr unsicher war, ob ich die Rolle als Sprecher richtig interpretiere. Der Schwung, den ich durch meine Jahre als Aktivist in Themen bringen kann, aber auch die Überzeugung vom Teamwork, die mir die vielen Jahre Ehrenamts-, Vereins- und Verbandsarbeit gebracht haben, lassen mich schnell ankommen, habe ich das Gefühl.
Ein guter Teil der LAG Sitzungen findet online statt und ist auch für nicht-Mitglieder offen. Die Daten und Links werden in diversen Verteilern veröffentlicht. Aktuell organisieren wir aber viele physische Treffen: auf Höfen, im Landtag und auch bei verarbeitenden Unternehmen, um ein Gefühl füreinander und eine gemeinsame Dynamik zu bekommen. Am 23. Mai geht es beispielsweise zu Hof Breiteneiche von Tilo von Donner.
Neue Perspektiven auch für Dich!
Wer ebenfalls Lust auf "Neue Perspektiven" hat: der Hof liegt zwischen Plön und Preetz, etwas östlich von Kiel. Die Exkursion findet am 23. Mai statt, Freitag nachmittag und richtet sich explizit auch an interessierte Menschen, die nicht Teil der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind. Auch kurzfristige Anmeldungen sind willkommen!
Die ausführlichen Infos inkl. Kontaktdaten zur Anmeldung findet ihr im Dokument hinter diesem Link, hier eine kleine Themenliste vorab:
👉 Blick über den grünen „Bio-Tellerrand“
👉 "Tierwohl"-Hähnchenmast
👉 Regenerativer Ackerbau
👉 Betriebskooperationen
👉 Landwirtschaftspolitischer Aktivismus
👉 Biogas
👉 Geflügelhaltung in bio und konventionell
👉 Extensive Grünlandbewirtschaftung